„Ich hab den besten Job der Welt!“ – Zu Gast in den Stormarner Werkstätten

Was machen die da eigentlich genau? So könnte gut eine eigene Rubrik hier auf dem Blog heißen. Denn es gibt so viele Orte in Ahrensburg und Umgebung, die wir vielleicht vom Hören, Sehen oder Vorbeifahren kennen. Was die Menschen dort aber genau tun, erfahren wir nur, wenn wir es uns zeigen und erzählen lassen. Damit ihr das nicht selbst tun müsst, besuche ich regelmäßig Orte und Menschen und lasse mir zeigen, was sie tun. Heute die Stormarner Werkstätten in der Kurt-Fischer-Straße.
Inhalt
Der erste Eindruck

Obwohl ich in Ahrensburg aufgewachsen bin, betrete ich das Gelände der Werkstätten zum ersten Mal. Als erstes sehe ich einen kleinen Teich mit einem Pavillon, dahinter erstreckt sich ein Gelände, das ich so groß nicht erwartet hätte, mehrere Gebäude und Hallen erstrecken sich auf etwa 15 000 Quadratmetern. Am Eingang nimmt mich André (39) in Empfang, er leitet eine der über 20 Gruppen, die in den Werkstätten die unterschiedlichsten Arbeiten ausführen. Die genaue Berufsbezeichnung ist geprüfte Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung. Es ist Mittagszeit, viele der Mitarbeiter essen gerade, überall wuseln Menschen über die Gänge, auf dem Weg zu Andrés Gruppenraum wird er immer wieder begrüßt und angeschnackt.

Quereinsteiger mit Herz für Soziales

„Meine Gruppe umfasst aktuell 17 Beschäftigte, oder Mitarbeiter mit Handicap, wie ich sie nenne,“ erzählt er mir, „insgesamt arbeiten hier ca. 350 Menschen mit Handicap, dazu kommen 80 Personen in Verwaltung, Betreuung, Pflege. Ich selbst habe die Werkstätten während meines Zivildienstes in Bad Oldesloe kennengelernt und danach war mir klar, dass ich irgendwann wieder in einer Werkstatt arbeiten möchte. Zunächst habe ich eine Ausbildung zum Raumausstatter gemacht. 2011 habe ich dann die Fortbildung zur geprüften Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderungt. Und, mal abgesehen, von den ganz normalen Schwierigkeiten, die der Alltag so mit sich bringt, kann ich guten Gewissens sagen: Ich habe den besten Job der Welt!“

Produktives Reha-Angebot

Während André mir von seinem Werdegang erzählt, füllt sich der Gruppenraum langsam wieder. Die meisten wenden sich ihrer Aufgabe zu, andere plaudern oder schauen zu. André erklärt mir: „Wir sind zwar produktiv und verdienen auch Geld mit den Aufträgen, die wir bearbeiten. Trotzdem sollte man die Werkstätten mehr als Reha-Angebot an die Beschäftigten verstehen, denn als klassischen Arbeitsplatz. Wer Zeit braucht, kann sie sich nehmen. Wer sich in seiner Gruppe nicht wohlfühlt, kann auch wechseln, das ist überhaupt kein Problem.“
„Komm mit, ich zeig dir alles!“

Als ich mich interessiert im Gruppenraum umschaue, freut sich Kristina (45), mir einiges erklären zu können. „Das bunte Bild hier haben wir mit einer FSJlerin gemalt. Es enthält den Namen unserer Gruppe,“ lacht sie, „du musst aber genau hingucken.“ Ich möchte gern noch weitere Gruppenräume sehen, also bietet sie sofort an: „Komm mit, ich zeig dir alles!“

Während in Andrés Gruppe z. B. Stifte zu Sets verpackt und Magneten für Namensschilder zusammengebaut werden, schweißen einen Raum weiter mehrere Beschäftigte Bücher ein, andere bauen Sets für Kabelkanäle zusammen, die in Schiffen zum Einsatz kommen.

Hier kommen wir mit Sven (43) ins Gespräch, der mir geduldig erklärt, worauf man beim Zusammenbau achten muss, damit auch wirklich alles seine Ordnung hat. Sven arbeitet schon seit 9 Jahren in der Werkstatt und gehört auch zum Werkstattrat, dem Betriebsrat der Beschäftigten. Als ich sage: „Dann scheint es dir hier ja gut zu gefallen,“ grinst er und antwortet: „Ja, wenn nur die ganze Arbeit nicht wäre.“ Nicht nur Sven hat Humor, „wir lachen hier alle viel,“ erzählt mir André, „das gehört zu unserem Alltag.“

Badminton, Tischtennis, Tanzen
Auf unserem Weg durch das Gebäude kommen wir auch am Sportraum vorbei. Es gibt ein buntes Angebot an Sportarten, das die Beschäftigten mit Handicap während ihrer Arbeitszeit wahrnehmen können, Badminton, Tischtennis, Tanzen, Schwimmen …“

Kristina und André zeigen mir die Tischlerei, es riecht nach Holz und ich sehe die Einzelteile für viele, viele Vogelhäuschen. „Die fertigen wir nicht im Auftrag einer Firma,“ erklärt André mir, „wir verkaufen sie selbst, z. b. auf Weihnachtsmärkten.“

Spannend ist auch der sogenannte EDV-Bereich. Hier arbeiten einige Beschäftigte an Computern und erstellen zum Beispiel anschaulich bebilderte Speisepläne, eine Werkstatt-Zeitung und sogar Filme mit aktuellen Infos. Also ein bisschen wie eine multimediale Werkstatt-Redaktion.

So viele Eindrücke

Nach fast zwei Stunden muss ich weiter. Ich bin noch zu einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin in der Tagesförderstätte verabredet. Das ist der Bereich der Werkstätten, in dem Mehrfach- und Schwerstbehinderte ihren Tag verbringen, die eine viel intensivere Förderung benötigen als zum Beispiel Kristina und Sven. In der Tagesförderstätte treffe ich auf Heilerziehungspflegerin Carla. Das, was sie mir über ihren Arbeitsalltag erzählt hat, kannst du in einem eigenen Beitrag bei das-elternhandbuch.de nachlesen.
Ich komme wieder
Die Zeit ist irre schnell vergangen, so viele Eindrücke, so viele Infos. Zum Glück bietet André an, dass ich einfach noch einmal zu Besuch kommen kann, wenn ich noch mehr sehen und erfahren möchte.

Das ist eine wunderbare Idee. Aber erst einmal freue ich mich, mir überhaupt mal einen ersten Eindruck verschafft zu haben. Es ist spannend zu sehen, wie die Menschen hier zusammenwirken, ihre Aufträge erledigen und dabei auf die verschiedensten Bedürfnisse des Einzelnen eingehen. Weitere Infos findest du natürlich auf der Homepage der Stormarner Werkstätten, dort gibt es auch einen tollen Film, in dem du dir selbst einen Eindruck über die Mitarbeiter und ihre Tätigkeiten verschaffen kannst.
Und hier noch ein paar Impressionen:








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